Der Angstverkäufer
Es war vor langer zeit
die welt war noch heil und schön
die flüsse waren klar
ihr wasser konnte man noch trinken
In den flüssen
badeten die kinder
wuschen die frauen die wäsche
in ihnen lebten
viele kleine fische und frösche
die silbern glänzten,
die quakend und fröhlich
ihr leben genossen
alle menschen waren glücklich.
denn armut, not, krankheit und tod
gab es nicht
So war es nicht in der ganzen welt,
doch in einem kleinen tal,
irgendwo, wo es niemand vermutete.
friede und eintracht,
liebe, musik und langeweile
bestimmten das bild dieses tals.
Die leute, die dort wohnten,
waren nicht ganz glücklich,
sie waren nicht dümmer, fauler,
naiver oder klüger.
sie waren wohlgenährt und fett.
des frohsinns überdrüssig, gelangweilt,
verging ein tag wie der andere.
Viele erwachsene hatte das tal nicht,
aber dafür viele kleine kinder,
denn was soll man sonst vor lauter langeweile tun.
Arbeit war für sie fremd.
die erde ernährte sie
auch ohne eigenes zutun
und kriege
kannten sie nicht
auch nicht den hunger und die not.
Lange Zeit blieb es friedlich im tal
doch plötzlich eines tages
kam
ein großer hagerer mann
und fragte sie
habt ihr angst?
angst?
fragten wiederum die leute.
ja angst! sagte der mann
was ist das?
wollten die leute wissen.
angst?
sagte der mann
ist ein gefühl
das dir die sinne raubt,
das dir die sinne raubt,
das dich tötet
und einsam macht.
tod ? einsamkeit? fragten die leute
sie dachten an etwas aufregend neues
ja. tod und einsamkeit
krankheit und armut
krieg und arbeit
sagte der mann
Wollt ihr angst haben
dann kauft sie bei mir!
sagte er.
Die leute überlegten
vielleicht wäre diese angst nicht schlecht
sie überlegten hin und her
es könnte ganz interessant werden
vielleicht ist es etwas
gegen das einerlei des tages
doch sie wußten einfach nicht
ob sie ja oder nein sagen sollten
angst könnte das leben
doch angenehmer gestalten
keine langeweile mehr
endlich etwas zu tun!
wochenlang sprach man darüber
die angst gab es ziemlich billig
nur drei pfennig für jeden.
Es wurde rat gehalten.
ein neues gefühl,
etwas wunderbares,
einzigartiges,
was sei schon
tod, elend und not
gegen die langeweile?
Man hatte sich entschieden
und bald hatte
jeder im dorf
seine angst sich gekauft.
Keiner
sah das hämische
grinsen des angstverkäufers,
als er wieder fortging
und die leute hinterherwinkten.
Sie freuten sich, denn jeder
hatte jetzt
angst.
Nach jahren kam der angstverkäufer
wieder durch das tal
und er suchte das dorf.
das dorf war nicht mehr.
eine wüste war dort,
wo einst die äcker und gärten standen.
es gab aschehaufen.
früher waren das häuser.
Die kinder schliefen
auf den gräbern ihrer eltern.
sie hatten meist
schwarze flecken
oder rote flecken
auf der haut.
die zeit für sie war gezählt.
Die not, armut und pest
und die
angst
sind und waren hier zu gast.
der krieg löschte alles leben aus.
das geschäft mit der angst
das tödlich endete.
Der angstverkäufer zog dahin.
höhnisch grinsend
im gepäck
die angst
die angst...
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